PROTAGONISTEN




Aki Kaurismäki ist ein preisgekrönter finnischer Regisseur. Mit seiner Aussage, dass der Tango eigentlich aus Finnland käme, bringt er die gesamte Musiker welt von Buenos Aires in Aufruhr. Ihm zufolge sei der Tango an der Ostküste Finnlands um 1850 entstanden. Finnische Hirten sangen dort Tango-Lieder, um die Wölfe von ihrem Vieh fernzuhalten und weil die Einsamkeit sie quälte. Von hier gelang der Tango an die Westküste, wo Seeleute ihn im Anschluss über Uruguay nach Argentinien brachten. Finnen sind sehr bescheiden, sagt Kaurismäki, und daher daran gewöhnt, in der Geschichtsschreibung unter zugehen. Schließlich hätten sie auch den Walzer erfunden, den die Österreicher ihnen als Erfindung wieder wegnahmen.



Walter „Chino“ Laborde ist Sänger in einer Tango-Band, die sich „Duo“ nennt. Er kam als Laie zum Tango, im Gegensatz zu seinen Band-Kollegen Pablo und Dipi hat er nie Musik studiert und folgt daher als Sänger ganz seinem musikalischen Instinkt. Für ihn ist Tango eine Art Vergangenheitsbewältigung Argentiniens, das als Nation soviel Leid und Schmer z erfahren hat und diese nun in Tango-Texten voller Sehnsucht, Trauer und Nostalgie verpackt. Er wird von der Musik bis ins Innerste berührt und glaubt, das müsse jedem Tango-Liebhaber so gehen, denn Tango sei eine Schule des Lebens. In Finnland nimmt er Gesangsunterricht bei der Gesangslehrerin Sanna und lernt, seinen ersten finnischen Tango zu singen.



Pablo Greco ist der z weite im Bunde der Tango-Band und ein ebenso leidenschaftlicher Musiker wie seine Kollegen. Mit seiner auf dem Bandoneon gespielten Hochzeitsmusik hat er schon so manche Frau zum Lächeln gebracht. Er stammt aus einer Familie von Bandoneonspielern, die bis heute gemeinsam auftritt. Die Liebe zu seinem Instrument begleitet ihn daher schon sein Leben lang, er schätzt seine Besonderheiten, so viele Stimmen auf einmal spielen zu können.

Pablo bewundert die Weite und den Platz Finnlands und glaubt, darin die Wur zeln für den finnischen Tango zu erkennen, der so ruhig und eigen daherkommt. Es liegt wohl an der entspannten Art der Finnen, dass sie ein ganz anderes Rhythmusgefühl beim Tango haben als die Argentinier. Im Gegensatz zu Dipi kann Pablo sich gut vorstellen, dass der Tango nicht ursprünglich aus Buenos Aires kommt, aber dort ist er seiner Meinung nach erst zu seiner voller Blüte gekommen.



Diego „Dipi“ Kvitko ist das jüngste und zugleich temperamentvollste Mitglied der Tango-Band. Dipi spielt Gitarre, seit er 15 ist und nichts auf der Welt könnte ihn glücklicher machen. Die Musik, die er heute mag, musste er erst selbst für sich entdecken, denn er kommt anders als Pablo nicht aus einer Musikerfamilie. Er ist der Meinung, dass Tango und Musik im Allgemeinen nur sehr schwer zu erlernen sind. Um gut zu werden, heißt es: üben, üben, üben. Über seinen Wohnort Buenos Aires sagt er, dass es eine ziemlich dreckige Stadt mit schöner Musik ist. Wenn sie ein Mensch wäre, würde er sich z war ständig mit ihr in die Haare kriegen, doch sich nach einem Tango-Tanz stets wieder mit ihr vertragen.

Dipis Anspruch an Tango und Musik im Allgemeinen ist enorm, daher kann er auch zunächst mit dem so andersartigen finnischen Tango gar nichts anfangen. Dass der Tango in Buenos Aires Zuhause ist, da ist er sich ganz sicher. Unerhört ist für ihn die Vorstellung, der Tango solle nicht aus seiner geliebten Tango-Stadt Buenos Aires, sondern aus den Weiten Lapplands mit seinen Wäldern und Mythen von Trollen und Zwergen kommen.

Dipi stört die Tatsache, dass Tango zum Weltkulturerbe ernannt wurde, denn auf diese Art würde man z war das Gute teilen, aber die Länder mit ihren Problemen alleine lassen. dennoch freut er sich, dass so viele argentinische Jugendliche den Tango wieder für sich entdecken und auch er lernte seine Frau beim Tangotanzen kennen.

Zunächst ist die zurückhaltende, für ihn viel zu plumpe Spielweise der finnischen Tango-Musiker für ihn eher abschreckend, doch auf seiner Reise trifft er ausgezeichnete Tango-Musiker, die ihm zeigen, wie es um die finnische Musikerseele tatsächlich bestellt ist.



Mauri Antero aka M. A. Numminen ist ein ausgezeichneter Kenner des finnischen Tangos und eine Jazz-Koryphäe in seinem Land. Mit den finnischen TangoStars der vergangenen Dekaden ist er per Du. Mit viel Schalk in den Augen erzählt er, dass der finnische Tango durchaus sexy sei, aber auf sehr versteckte Weise. Da die Finnen keine guten Tänzer sind, bräuchten sie einen starken Rhythmus, um Tango zu tanzen. Gegenüber den impulsiven, schwungvollen Argentiniern wären die Finnen häufig langsam und allem Neuen gegenüber misstrauisch, was Numminen bereits am eigenen Leib von seinen teilweise engstirnigen Landsmännern erleben durfte. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller, Filmemacher und Entertainer tritt er seit nunmehr über 25 Jahren auch mal im Hasenkostüm auf die Bühne, um gemeinsam mit seinem Kollegen Pedro Hietanen – dieser als Katze verkleidet – kleine Kinder für den finnischen Tango zu gewinnen. Das Duo Gommi ja Pommi begeistert auch den Argentinier Dipi, dem der Tango-Nachwuchs sehr am Herzen liegt.

„Man könnte sagen, wir Finnen haben vor der Erfindung des Mobiltelefons so wenig gesprochen, dass die Entstehung des Tangos eine absolute Notwendigkeit war.“

m. a. numminen



Kari Lindqvist ist ein gutmütiger Finne, der von den drei Argentiniern für seine sanfte Art, Akkordeon zu spielen, bewundert wird. Er hingegen ist über zeugt davon, dass die Argentinier eine Grundmusikalität in die Wiege gelegt bekommen hätten, was die Finnen in der Musikszene auch als „Tango-Touch“ bezeichnen. Kari ist der Meinung, dass man Akkordeon mit Gefühl spielen müsse und auch mit der richtigen Ausdauer. Beim finnischen Militär hat er daher auch schon mal eine ganze Nachtwache lang durchgespielt, um sich wachzuhalten.
Riku Niemi ist ein finnischer Orchesterdirigent, den die drei Argentinier auf ihrer Reise durch die finnische Tango-Szene kennenlernen. Er sieht Musikmachen als extreme Hörerfahrung, da Musik auch immer eine extreme Form der Stille sei. Für ihn ist klar, dass eine neue Musikform erst dann entsteht, wenn verschiedene Stile und Menschen zusammenkommen. Da man nunmal nicht wisse, wer den ersten Tango gespielt habe, kann er sich mit Pablos Ansicht, dass der Tango in Buenos Aires zur vollen Blüte gekommen wäre, gut arrangieren.

„Es gäbe keine Musik auf der Welt, wenn die Menschen nie Stille erfahren hätten. Musik ist eine Art von Stille. Sogar sehr laute Musik.“

Riku Niemi



Sanna Pietäinen ist Sängerin und arbeitet als Gesangslehrerin. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern lebt sie auf einem Hof, auf dem die Familie auch Landwirtschaft betreibt. Sie nimmt die drei Argentinier bei sich auf und bringt Chino seinen ersten finnischen Tango bei. Im Vorfeld stellt sie sich die argentinischen Tango-Musiker als attraktiv, dunkelhaarig und sehr romantisch vor, ist sich aber auch nicht sicher, ob sie mit soviel Lebendigkeit gut umgehen kann – die finnischen Männer seien schließlich eher ruhig und schweigsam.



Reijo Taipale ist ein finnischer Tango-Superstar aus den 60ern, der mittler weile weit über 70 ist und immer noch gelegentlich auftritt. Der Tango hat einen Platz in seinem Her zen, seit er 10 Jahre alt ist. Seine Karriere war mit Filmen und unzähligen Auftritten mit anderen bekannten Musikern gespickt, zahlreiche Liebesbriefe hat er immer wieder erhalten. Seine Version des berühmtesten finnischen Tangos Satumaa, die ihm 1962 zum Durchbruch verhalf, darf bis heute in keinem gut sortierten Plattenschrank der finnischen Tango-Liebhaber fehlen. Taipale wollte z war jahrelang aufhören, doch die Organisatoren und Manager wollten seine über 40-jährige Karriere einfach nicht beenden. Auch für ihn war es schwer, aufzuhören, denn für ihn ist die Musik, die er so liebt, wie eine Droge.