VIVIANE BLUMENSCHEIN
IM INTERVIEW
Wer tanzt den schöneren Tango?
Niemand. Es ist alles eine Frage der Perspektive. Aber die Finnen
bezeichnen selbst ihren Tango als Gehtango. Das sagt eigentlich
schon alles.
Bevorzugen Sie persönlich den finnischen oder den
argentinischen Tango?
Dazu muss anmerken, dass es im Film um die Musik geht und nicht
um den Tanz. Argentinischer und finnischer Tango sind sehr
unterschiedlich. Ich bevorzuge keinen der beiden, denn sie sind
auf ihre Art einmalig. Mir ging es im Film immer um die Begegnung
zweier Kulturen, die auf einer abenteuerlichen Reise ins
Ungewisse aufeinandertreffen. Im Film lernt man die
grundsätzlichen Unterschiede der beiden Tangos kennen und der
Zuschauer kann sich sein Urteil dann selbst bilden.
Wie sind Sie auf die Idee für einen Film zu den
Ursprüngen des Tangos gekommen?
Ich bin ein großer Fan von Aki Kaurismäkis melancholischen,
absurden und liebevollen Filmen über tragische Figuren. In
seinen Filmen taucht immer wieder auch der finnische Tango auf,
so bin ich darauf aufmerksam geworden.
Von wem haben Sie das erste Mal von der mutmaßlichen
Herkunft des Tangos erfahren?
Ich habe dann etwas geforscht und bin auf das berühmte Zitat von
Kaurismäki gestoßen, in dem er behauptet, dass der Tango
ursprünglich aus Finnland kommt. Das ist natürlich eine
Provokation und lässt viel Raum für Spekulationen. Gleichzeitig
habe ich eine sehr schöne Musik-Compilation gefunden,
Tule Tanssiman, herausgegeben von einem kleinen Label
aus München, dem Trikont Verlag, darauf sind ein paar der
schönsten finnischen Tangos zu hören. Das hat mich neugierig
gemacht.
Wie viel wussten Sie vor den Recherchenzu diesem Film
über den Tango und seine Ursprünge?
Ich wusste gar nichts über den finnischen Tango, bevor ich
angefangen habe, zu recherchieren. Als Filmemacher stößt man
oft durch Zufall auf Dinge, die einen interessieren und dann
fängt man an zu recherchieren, macht dann einen Film über ein
Thema, von dem man vorher absolut nichts wusste. Das ist meine
Art der Fortbildung. Ich lerne sehr viel beim Filmemachen.
Wie sind Sie zu Ihren sympathischen Hauptdarstellern und
den finnischen Gastgebern gekommen?
Ich bin ein paarmal nach Argentinien und Finnland gereist und
habe mich auch von Kennern vor Ort beraten lassen. In Finnland
war es einfacher, denn die TangoSzene ist sehr klein. Ganz
Finnland hat nur ca. 5,5 Millionen Einwohner. Im Großbereich
Buenos Aires leben alleine 20 Millionen Menschen und es gibt
unzählige tolle Tangomusiker. In Argentinien habe ich dann auch
sehr viele Musiker getroffen und mich erst sehr spät für die
drei Protagonisten entschieden, denn sie waren schwer zu kriegen.
Aber absolut die beste Entscheidung für den Film.
Was war Ihr Lieblingsdrehort bei diesem Film und warum?
Für mich sind beide Orte, beide Länder, Argentinien als Stadt
und auch die unglaubliche Weite Finnlands gleichwertig schön.
Sehr unterschiedliche Reize, die einen dort inspirieren, in
Argentinien die unaufhörliche Lebendigkeit, die Nacht, die zum
Tag wird, die viele Musik etc. und in Finnland natürlich die
Ruhe und Weite der Landschaften, die Menschen, die sich ganz
anders bewegen und sprechen. Jedes Land hat seine
Herausforderungen.
Wie lange hat die gesamte Produktion des Films, von der
ersten Idee bis zur finalen Fassung, gedauert?
Die Idee zu dem Film hatte ich schon vor 8 oder 9 Jahren, dann
lag das Script aber erst mal in der Schublade, bis Christian
Beetz mich ansprach und das Projekt gerne mit mir machen wollte.
Dann hat es noch ungefähr 3 Jahre gedauert vom ersten Entwurf
des Scripts bis zum fertigen Film.
Was haben Sie als Wichtigstes für sich aus diesem
Projekt mitgenommen?
Jedes Projekt, das ich mache, beeinflusst mich als Mensch sehr
stark, denn jedes Mal begegne ich glücklicherweise wirklich
außerordentlichen Menschen, von denen ich lernen kann. Außer
dass ich natürlich über Argentinien und Finnland und über die
Musik sehr viel gelernt habe, sind es auch persönliche Dinge
über mich selbst, die ich dabei lerne. Aber das Schönste an
diesem Projekt war zu sehen, dass sich meine Protagonisten auch
ohne Worte und nur über die Musik verständigen können.
Woher kommt der Tango jetzt eigentlich?
Das verrate ich nicht. Schaut den Film.
Welchen sozialen und gesellschaftlichen Stellenwert nimmt
der Tango für die Argentinier und die Finnen ein?
In Argentinien ist der Tango wichtiger Bestandteil der
argentinischen Kultur und wird sehr gepflegt. Tango ist ihr
großer Nationalstolz, das gilt bis heute. Carlos Cardel ist
weltberühmt. In Finnland ist der Tango doch eher einer älteren
Generation zuzuordnen und hatte seine Hochzeit in den 50er und 60er
Jahren des letzten Jahrhunderts. Aber die ältere Generation aus
der Zeit kennt alle wichtigen finnischen Tangomusiker. Über die
Landesgrenzen geht es allerdings nicht hinaus. Reijo Taipale
kennt man nur in Finnland. Heute verliert der finnische Tango
leider an Wichtigkeit in der Gesellschaft. Junge Musiker wollen
mit Pop oder Rockmusik berühmt werden.
Der Tango prägte und prägt die Kultur beider Nationen,
welche Parallelen lassen sich hier Ihrer Meinung nach ziehen?
Die Parallele ist auf jeden Fall die große Liebe zu der Musik
und die Identifizierung vieler Menschen aller Schichten mit dem
Tango, der Melancholie und der Leidenschaft, die in den Texten
steckt. Das gilt absolut für beide Nationen, auch wenn die
Inhalte andere sind.
Und natürlich auch der Tanz, der in Argentinien sehr sexy ist
und in Finnland viele Paare zusammengebracht hat.
Warum versuchen sich zwei so verschiedene Nationen über
Tango zu definieren?
Musik ist Ausdruck von Gefühlen, die man nicht in Worte fassen
kann. Ein wunderbares Vehikel zur nonverbalen Kommunikation.
Menschen sind im Grunde alle gleich, sie empfinden gleich, haben
dieselben Träume. Das ist, was uns alle verbindet. Es ist ganz
einfach.
Tango wird auf der ganzen Welt getanzt was macht
das besondere Verhältnis der Argentinier und Finnen zum Tango
aus?
Naja beide sagen ja, der Tango ist bei ihnen entstanden, also
haben beide ein besonderes Verhältnis zum Tango.